Blog von Irina Maurus
2. März 2016

Social Media und Newsjournalismus: Wer profitiert von wem?

Das Wehklagen über sinkende Auflagen und Reichweite, über den Niedergang der Printmedien sowie über fehlende Qualitätsstandards der Publikationen verfolgt uns bereits seit langem. Nun macht auch Facebook auf «Newsjournalismus», denn die jungen Leute erreicht man ohnehin nur noch darüber oder über Youtube und Snapchat. Newsberichterstattung mit Bewegtbild im guten alten Fernsehen ist bei dieser Generation out. Doch würde das eine wirklich ohne das andere funktionieren?

Social-Media-Plattformen haben was die schnelle Verbreitung anbelangt bei der jungen Generation -zwar die Nase vorn, dabei geht jedoch gerne vergessen, dass Twitter, Facebook und Snapshot von Inhalten leben, die von anderen generiert werden. Und diese Inhalte stammen nach wie vor oft von den Medienhäusern und von professionell geschulten Journalisten. Social-Media-Kanäle erlauben es den Medien wiederum, ihre Reichweite zu vergrössern. Obwohl die Medienhäuser viele Strömungen, welche die Digitalisierung mit sich brachte, nachweislich verschlafen haben, hält der Techblog t3n fest: „Ohne die Medien wären weder reichweitenstarke Social-Media-Plattformen noch gehypte Start-ups da, wo sie heute sind.“

Reziproker Nutzen

Social Media und „traditionelle“ Medien befruchten sich also gegenseitig. Die Journalisten liefern die Inhalte, für welche die Entwickler oft kein Gespür haben oder für die es schlicht – und legitimerweise – an Know-how und Kapazität fehlt. Privaten Nutzern fehlen nicht nur die Mittel, die Kanäle mit ähnlich breit abgestützten und vor allem professionalisierten Beiträgen zu bespielen. Ihr Hauptinteresse ist denn auch in erster Linie, die Freundesliste mit privaten Neuigkeiten und Schnappschüssen zu beglücken.

Die sozialen Medien sind also darauf angewiesen, dass spannende Inhalte generiert werden, um die Nutzer zum Verweilen und zum Wiederkommen zu bewegen. Dabei nutze ich Facebook beispielsweise längst nicht mehr nur, um den Status-Updates meiner Freunde zu folgen, sondern verschaffe mir mittels der Angebote verschiedener, internationaler Medienhäuser einen schnellen Nachrichten-Überblick. Unter geteilten Artikeln entwickeln sich rege Diskussionen zu politischen und gesellschaftlichen Themen und auch Journalisten, wie zum Beispiel Welt-Redakteur Ulf Poschardt, nutzen ihre Seiten vermehrt, um mit ihren Leserinnen und Lesern in den Dialog zu treten.

Aber welche Inhalte? Und wovon leben?

Trotz dieser Perspektive stellt sich die Frage, welche Inhalte die Aufmerksamkeit der Social-Media-Nutzer auf sich ziehen. Die Plattform Themenpuls bietet einen interessanten Einblick, welche Beiträge schweizweit am häufigsten in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Hierbei wird deutlich, dass emotional besetzte Titel und Themen besonders erfolgreich sind – Stichwort Clickbaiting, was soviel bedeutet wie „Klickködern“ und den Prozess beschreibt, Inhalte mit einer besonders reisserischen Überschrift anzupreisen.

Während die Vision, dass Amazon irgendwann entscheiden wird, welche Bücher geschrieben werden, noch utopisch anmutet, ist der Einfluss, den Social-Media-Click-Raten auf Aufmachung und Inhalte der grossen Medienhäuser haben, bereits deutlich erkennbar. Darüber hinaus wird die Herausforderung, vor welche die zunehmende Gratiskultur die etablierten Medien schon jetzt stellt, durch Social Media verstärkt.

Social Media sind die neuen Kneipen und Schulhöfe

Letztlich werden es neue Geschäftsmodelle der Medien richten müssen, die von Grund auf das Multichanneling auch in den eigenen Reihen pflegen. Denn, wie sagte es der neue Leiter der Blick-Gruppe Wolfgang Büchner in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom vergangenen Samstag: Die sozialen Medien sind die neuen Kneipen, Marktplätze und Schulhöfe.